Das Gegenteil von Sprachverfall

Friederike Mayröcker Ehrenpreis für Friederike Mayröcker in Graz überreicht

Die Schriftstellerin Friederike Mayröcker wurde am vergangenen Freitag in Graz für ihr Lebenswerk mit dem Ehrenpreis der Stiftung Bibel und Kultur ausgezeichnet. Der Erzbischof der Diözese Graz-Seckau, Egon Kapellari, und der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Reinold Hartmann (Mainz) überreichten eine Glas-Stele und die Urkunde zur Ehrung im Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz der 89-jährigen österreichischen Autorin. Die Laudatio hielt der Wiener Schriftsteller und Übersetzer Peter Waterhouse.

In der Begründung des Ehrenpreises heißt es: „Es ist eine zutiefst poetische Existenz, die Friederike Mayröcker seit mehr als 70 Jahren führt, Schreiben, Lesen und Leben dabei durchlässig haltend. Im zar­ten (wie zärtlichen) Wahrnehmen und in feinsinniger Lektüretätigkeit entwickelt sie sprachliche Freiräume und ins Spirituelle sich öffnende Bilder und Metaphern. Angefangen von den frühen Gedichten schreibt sie mit zahlreichen biblischen Bezügen an der Grenze von Sprache und Schweigen gegen den Tod an. Ihr formulierter Glaube an »die Fittiche des Heiligen Geistes« steht einzigartig im zeitgenössischen Litera­turschaffen da. Leichthändig, anrührend und überaus elegant überschreitet sie Grenzen: jene zwischen den Gattungen, jene zwischen Traum und Wirklichkeit, jene zwischen Profanem und Sakralem wie jene zwischen Trauer und Heiterkeit. Ihr Verwandlung auslösender Widerstand gegen die Endlichkeit ist Pro­gramm, »Gottessen« nennt sie ihr Schreiben. Das »Einverleiben« ist im Kosmos Friederike Mayröckers immer auch Beflügeln, ein sprachschöpferischer Akt, dem man sich hingeben mag.“

Bischof Kapellari erinnerte an ein Wort von Friedrich Hölderlin. Es lautet: „Aber Bleibendes stiften die Dichter“. Bleibendes habe auch Friederike Mayröcker in Ihrem reichen bisherigen literarischen Werk geschaffen, sagte der Bischof und setzte hinzu: „Wir wünschen Ihnen von Herzen Zeit und Kraft, um dem Weiteres hinzuzufügen.“ Laudator Waterhouse sagte: „Friederike Mayröckers Poesie ist zu lebendig, um Bedeutungen zu festigen.“ Sie habe ein wirkliches Lebenswerk geschrieben, ein Lebendigkeitswerk geschrieben.

Friederike Mayröcker wurde in Wien geboren und arbeitete von 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an Wiener Hauptschulen. Ihre ersten literarischen Arbeiten entstanden aber bereits 1939. Später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten. Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie bis zu seinem Tod eng verbunden blieb. Nach Gedichtveröffentlichungen in der Wiener Avantgarde-Zeit­schrift „Plan“ erschien 1956 ihr erstes Buch „Larifari: Ein konfuses Buch“. Seitdem folgten Lyrik und Prosa, Erzählungen und Hörspiele, Kinderbücher und Bühnentexte. Die Autorin wurde vielfach ausge­zeichnet, unter anderem mit dem „Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Künste“ (1996), dem Georg-Büchner-Preis (2001) und dem Hermann-Lenz-Preis (2009).

Im Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz ist jetzt bis zum 27. April eine Ausstellung von Johanes Zechner zu sehen. Sie wurde am Samstag eröffnet und trägt den Titel „Wort und Wange. Die Mayröcker-Übersetzung von Johanes Zechner“. Zechner hat sich sechs Jahre lang mit dem Werk Friederike Mayröckers auseinandergesetzt und Bildtafeln geschaffen, die einzelne Wörter und Satzfragmente aus dem lyrischen Werk in einem bildkünstlerischen Zusammenhang virulent werden lassen. Erstmals ist der gesamte Zyklus in einer Ausstellung zu sehen. Neue, großformatige Arbeiten sind auch für die Räume des Kulturzentrums selbst entstanden.

Die Stiftung Bibel und Kultur wurde 1987 gegründet. Vorsitzende ist Bundesministerin a.D. Dr. Annette Schavan. Die Stiftung vergibt einen Stiftungspreis, einen Förderpreis, spricht Ehrungen aus und veran­staltet Schülerwettbewerbe in wechselnden Bundesländern. Nach Ansicht der Stiftung sind verlässliche Werte für ein Zusammen leben unverzichtbar. Die Bibel habe durch die Jahrhunderte hindurch die Fun­damente gelegt für Demokratie, Menschenwürde und den Schutz der Schwachen. Für jede Generation lohne sich die Beschäftigung mit der Bibel neu, da sie Orientierung gibt und den großen Reichtum an Erfahrungen des Menschen mit Gott entfaltet. Die Bibel helfe außerdem, die Grundlagen der Kultur zu verstehen.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.bibelundkultur.de.