Bibelpfarrer, Komponist und Streiter

Dieter Trautwein wäre am 30. Juli 80 Jahre alt geworden

Dieter Trautwein hatte viele Gesichter: Frankfurter Propst und Bibelpfarrer, Komponist, Liedertexter und Streiter gegen die Apartheid in Südafrika. Er ent­deckte Oskar Schindler, der im Dritten Reich mehr als 1200 Jüdinnen und Juden das Leben rettete. In der weltweiten Ökumene, dem christlich-jüdischen Dialog und beim Deutschen Evangelischen Kirchentag war er über Jahrzehnte engagiert. Am 30. Juli wäre der promovierte Theologe 80 Jahre alt geworden.

„Komm, Herr, segne uns“ ist wohl das bekannteste Kirchenlied von Trautwein. Es gehört zu den sieben Liedern des Komponisten im Stammteil des Evangelischen Ge­sangbuches. Insgesamt dürfte Trautwein mehr als 220 Lieder komponiert und getex­tet haben. Viele kommen aus der Ökumene. Im Mittelpunkt seiner kreativen Arbeit standen Lieder für lebendige Gottesdienste. Der „Lernprozess Gottesdienst“ be­schäftigte ihn auch in seiner Doktorarbeit. Deshalb gehörte er zu den Initiato­ren einer entsprechenden Beratungsstelle in seiner Landeskirche.

Ein Novum stellt der Weg vom Propst zum Bibelpfarrer dar. Trautwein leitete von 1969 bis 1988 die Frankfurter Propstei in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Er scheute sich dabei auch nicht in Auseinandersetzungen um eine humane Stadtwelt einzugreifen. Der gebürtige Hesse aus Holzhausen forderte eine Balance zwischen Büros und Wohnraum in der Mainmetropole.

Trautwein widmete sich von 1988 bis 1993 der Vollzeittätigkeit als Vorsitzender und Geschäftsführer der Frankfurter Bibelgesellschaft. Mit anderen plante er ein Erlebnismuseum, das die Welt des Alten und Neuen Testaments und die Bibel als Lebensbuch auch für junge Menschen zugänglich machen sollte. Es wurde ein halbes Jahr nach seinem Tod im Juni 2003 eröffnet.

Trautwein  fand Oskar Schindler

Lange bevor Hollywood auf „Schindlers Liste“ aufmerksam wurde, fand Traut­wein den Industriellen in Frankfurt. Trautwein hatte den Namen 1966 in Israel in Yad Vashemi entdeckt, der Gedenkstätte für die Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden. Sein Name steht dort in der Allee der „Gerechten unter den Völkern“. In Frankfurt lebte Schindler in einer einfachen Wohnung in der Nähe des Hauptbahn­hofs. Eine Freundschaft entstand. Als Schindler 1974 starb, setzte Trautwein sich für eine Gedenktafel mit Porträt am Eingang des Wohnhauses ein.

Ähnlich engagiert zeigte sich Dieter Trautwein mit seiner Frau Ursula bei der Frage der Apartheid in Südafrika. Sie initiierten und unterstützten seit Mitte der siebziger Jahre Boykottaktionen, Solidaritätsgruppen und kirchliche Initia­tiven. Zum Kirchentag 1987 in Frankfurt zogen 40000 Menschen in einer Demonstra­tion gegen Apartheid durch die Stadt. Beim gleichen Kirchentag verantwortete Dieter Trautwein mit den Bibelgesellschaften das ökumenische Bibelzentrum.

Trautwein bekam zu Lebzeiten eine Vielzahl von Ehrungen wie das Bundesverdienst­kreuz, die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt und die Canstein-Medaille der Bi­belgesellschaften. Seine Kritik an Ungerechtigkeit und Vergessen ließ er sich dadurch nicht nehmen. „Einen Pfarrer aus Leidenschaft am Worte Gottes“ nannte ihn sein Kirchenpräsident 1993 bei der Verabschiedung.

Ralf Thomas Müller

(10. August 2008 / Der Sonntag)

Schreibe einen Kommentar