Pfalzgraf Ottheinrich: maßlos, kunstsinnig, reformatorisch

Pfalzgraf Ottheinrich hat sich nicht nur durch die Bibel mit seinem Namen in die Geschichtsbü­cher eingetragen. Als Kunst- und Bücherfreund, Staatsmann und Ge­nussmensch ist der Re­nais­sance-Herrscher heute auch bekannt. Vorneh­me Zurückhaltung war aber nie seine Sache.

Bilder von Albrecht Dürer und Tiziano Vecellio, unzählige weitere Kunstwerke, kostbare Bücher und ein Prachtbau in Heidelberg: Pfalzgraf Ott­heinrich schuf und sammelte Werke ungeheuren Ausmaßes. Zugleich frönte der Regent allen weltlichen Genüssen. Der Wein und die Festta­fel, die Frauen, Ritter-Turniere und Jagden er­freuten das Herz des Fürsten. Als Vollender ei­ner Prachthandschrift des Neuen Testaments machte er seinen Namen noch größer.

Ottheinrich wurde 1502 in Amberg im heutigen Bayern geboren und starb 1559 als Kurfürst der Pfalz in Heidelberg. Große Umbrüche vollziehen sich in dieser Zeit. Bereits als 16-Jähriger erlebt der Adelige 1518 beim Augsburger Reichs­tag Martin Luther und die Auseinandersetzung um die Lehre des Reformators. Der junge Mann aber ist noch ganz auf Seiten der katholischen Hier­archie. Das sollte sich erst später ändern.

Zugleich entwickeln sich in Deutschland die Re­naissance und der Humanismus. Wissenschaft und Kunst erinnern sich ih­rer antiken Wurzeln und befreien sich vom engen Denken des Mittelal­ters. Aber auch Kriege und Seuchen bedrohten die Menschen. Schon mit zweieinhalb Jahren ist Ottheinrich Vollwaise. Die Eltern sterben an Ruhr.

Wahlspruch eines Genussmenschen

Von Ottheinrich ist ein Wahlspruch überliefert, der den unmäßigen Genussmenschen zeigt: „Ich meid‘ und hass jed’s leeres Fass und liebe dies voll Glas und schöne Mägdlein noch viel baß“. Vier Zentner soll er zum Schluss gewogen haben und ein Pferd war nötig, um ihn in den ersten Stock ins Schlafgemach zu bringen. Er liebte derbe Scherze. Mit Musikern überraschte er ein­mal einen Abt, von dem er wusste, dass er nicht allein im Bett war. Selbst seine Freude an der Kunst kann­te kein Maß. Als Fürst von Pfalz-Neu­burg ist er 1544 bankrott und muss das Land verlassen. Er soll die damals kaum vorstellbare Summe von mehr als einer Million Gulden Schul­den hinterlassen haben.

Erst als er 1556 Kürfürst in Heidelberg wird, kann er wieder aus dem Vollen schöpfen. Mit dem Ottheinrichsbau schafft er dann das Hauptwerk der deutschen Renaissance. Seine „Bibliotheca Palatina“ sammelt das Wissen der Zeit.

Von Rom zur Reformation

In Pfalz-Neuburg hatte der Fürst 1542 die Re­formation eingeführt. Galt er zuvor als zuver­lässiger Mann Roms, änderte sich dies mit den Jahren – zum Leidwesen seiner Frau Susanna und seiner Familie aus dem Hause Wittelsbach. Mit dem luthe­rischen Theologen Andreas Osiander aus Nürnberg entwickelte er eine neue Kirchenord­nung. Dass er nun zur Aufgabe eines jeden Christenmenschen erklärte, „sich der Hurerei, des übermäßigen Trinkens, des Besuches von Wirtshäusern und anderer Leichtfertigkeiten zu enthalten“, mag dem Gefühl des Aufbruchs ge­schuldet sein.

Politisch beschleunigte die Einführung der Re­formation zunächst den Niedergang des Regenten. Kaiser Karl V. schickte 1556 Truppen nach Neu­burg. Zwischenzeit­lich musste er als „Fürst ohne Land“ in Weinheim leben und widmete sich den Wissenschaften seiner Zeit, zu denen man damals neben der Medizin zum Beispiel auch Astrologie und Alchemie zählte.

1530 hatte Ottheinrich den Maler Mathis Gerung mit der Vollendung einer neutestamentlichen Prachtschrift beauftragt, die später Otthein­rich-Bibel genannt werden sollte. Über die Mo­tive lässt sich nur spekulieren. War es die Freude am schönen Buch, die der Fürst auch sonst auslebte? War es das ehrliche Gefühl, dem Worte Gottes dienen zu wollen? Oder war es ein gutes Werk, das einen Ausgleich für das sünd­hafte Leben schaffen sollte? Ottheinrichs Leben bietet für alle Interpretationen Spielraum.

Ralf Thomas Müller

Eine ausführliche Darstellung des Pfalzgrafen bietet das Buch „Der Himmelsstürmer: Ottheinrich von Pfalz-Neuburg“ von Klaus Reichold, erschienen im Verlag Pustet.

(Oktober 2008 / FBG-Magazin)

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